Kerzen erzeugen mehr Stickoxid als an Straßen erlaubt?

Der Dieselskandal ist in aller Munde, "dank" der Deutschen Umwelthilfe, müssen Gerichte nun damit beginnen, die Durchsetzung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge anzuordnen. Damit ist niemand glücklich und wenn man diversen Wissenschaftlern mit entsprechender Reputation Glauben schenken darf, und das sollte man, dann machen diese Fahrverbote auch überhaupt keinen Sinn. Untermauert wird dies durch aktuelle Messungen, die starke Grenzwertüberschreitungen ausweisen, nachdem lange keine Fahrzeuge mehr gefahren sind oder zumindest Dieselfahrzeuge lange ausgesperrt wurden.

Aber dies ist nicht das eigentliche Thema. Wir Menschen neigen dazu, uns gegen Unrecht zur Wehr zu setzen, sei es nun echtes Unrecht oder subjektiv Empfundenes. Dazu gehört auch das Teilen von "Memes", die Missstände durch Vergleiche veranschaulichen sollen. Eigentlich eine gute Idee. Aber natürlich macht das nur Sinn, wenn der Inhalt des Memes oder Textes, auch der Realität entspricht - Oder wie im folgenden Beispiel, der Physik.

Aussage: Eine Kerze erzeugt 120 ng NOX, dass ist das Dreifache des Grenzwertes an Straßen!

Schauen wir uns das mal im Detail an. Der Grenzwert wird angegeben in der Einheit Mikrogramm je Kubikmeter (mcg/m³) und liegt bei 40 mcg/m³ aktuell an öffentlichen Strassen. Die Kerze mit ihren 120 Nanogramm, liegt also rein vom Dezimalvorsatz um Faktor tausend darunter. Aber das ist nicht einmal der Punkt. Nehmen wir mal an, die Kerze produziert realistischer 120 mcg, während sie uns Wärme und romantisches Licht spendet. Dann fällt auf, dass wir zwei nicht vergleichbare Werte erhalten. Ein absolutes Gewicht (120 mcg) vs. ein Gewicht je Volumen (40 mcg/m³).

Um beide Werte vergleichbar zu machen, müssen wir uns den Raum nehmen, in dem die Kerze brennt und annehmen, er wäre nicht belüftet. Ein kleines Wohnzimmer mit 12m² Fläche und 2.5m Deckenhöhe, kommt auf ein Volumen von 30 m³. Nun verteilen wir die 120 mcg auf 30 m³ und erhalten eine mittlere Stickoxid-Belastung von 4 mcg/m³ Raumluft. Huch, dass ist Faktor 10 kleiner, als der Grenzwert und das Meme wird völlig bestandlos. Zumal die meisten Räume alleine durch das Öffnen der Tür durchlüftet werden.

Um das Ganze letztendlich wirklich real zu beurteilen, müssen wir herausfinden, wie viel Stickoxid die Kerze nun wirklich erzeugt. Daraus können wir mit dieser einfachen Rechnung einen Schluss ziehen. Übrigens gelten die 40 mcg/m³ als Grenzwert für dauerhafte Außenluft, die auch für Allergiker kein Problem darstellt. Für einen gesunden Menschen ist diese Konzentration überhaupt nicht relevant. Daher finden sich in Büroräumen (bis zu 100 mcg/m³) oder industriellen Umgebungen (bis zu 900 mcg/m³) ganz andere Grenzwerte.

An dieser Stelle noch der abschließende Hinweis, bitte nicht Stickoxide mit Feinstaubpartikeln zu verwechseln. Da ist die Belastung durch Kerzen signifikant hoch. Aber dieser Artikel dreht sich nicht um den gesundheitlichen Aspekt an sich oder im Ganzen, sondern nur um die Aussage des Memes im Speziellen - Und um die Notwendigkeit, mit korrekten Fakten und Zahlen zu arbeiten. Ist auch fraglich, ob eine Kerze eine perfekte stochiometrische Durchmischung per Wärmekonvektion erreicht. :-)

Update: Dieser Artikel hat bei Facebook zu einer angeregten Diskussion geführt, was ich ausgezeichnet finde. Dabei kam auch raus, dass es Universitätsstudien bzw. Messreihen gibt, die die Stickoxidemissionen von Kerzen im zeitlichen Verlauf aufzeigen und tatsächlich hier eine sehr schnell Grenzwertüberschreitung in geschlossenen Räumen nachweisen - Spannend und besorgniserregend. Das macht dann das Meme zwar nicht richtig, aber die humoritstische Aussage im Teil II "Weihnachten überleben", ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Danke allen für die angeregte Recherche.

Letzte Änderung: 24.11.2018 18:28:25